Unter Lebensmittelsicherheit (oder häufig auch Lebensmittelhygiene genannt) versteht man alle Konzepte und Massnahmen die sicherstellen, dass Lebensmittel ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen verzehrt werden können und unter hygienisch einwandfreien Bedingungen hergestellt worden sind. Um eine lückenlose Lebensmittelsicherheit und -hygiene sicherzustellen, sind eine Reihe von Massnahmen und Kontrollen notwendig. In diesem Beitrag gehen wir besonders auf die gesetzlichen Grundlagen ein, die Grundlage für das betriebsinterne Hygienemanagement sind.
Grundlagen der Lebensmittelsicherheit
Das Thema Lebensmittelsicherheit betrifft alle Betriebe und Unternehmen, in denen Lebensmittel verarbeitet werden. Die Lebensmittelsicherheit soll gewährleisten, dass die Lebensmittel und Futtermittel sicher und nahrhaft sind, dass hohe Standards bei Tierschutz und Pflanzenschutz eingehalten werden und klare Informationen zu Ursprung, Inhalt, Kennzeichnung und Verwendung von Lebensmitteln. Diese Ziele lassen wie folgt zusammenfassen:
- Produkthygiene aufrecht erhalten
- Kontaminationen und/oder Rückstände unerwünschter Inhalte verhindern
- Rückverfolgabarkeit der Produktbestandteile sicherstellen
Vor allem die Rückverfolgbarkeit ist mit einem nicht zu unterschätzenden Dokumentationsaufwand verbunden. Für den Verbraucher bildet diese aber die Grundlage für einen vertrauensvollen Konsum.
Gesetzliche Grundlagen
Im Folgenden gehen wir die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen hinsichtlich Lebensmittelsicherheit ein, um Ihnen einen kurzen Überblick über die aktuelle Gesetzeslage zu vermitteln:
EU-Recht
- Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (auch General Food Law, GFL)
- Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittelinformations-Verordnung)
- Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene
- Verordnung (EG) Nr. 853/2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs
Deutsches Recht
- Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch
- Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts
- Bekanntmachung der Begründung zur Verordnung zur Durchführung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts
- Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung – LMHV)
- Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs
- (Lebensmitteleinfuhr-Verordnung – LMEV)
- Lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung (LMRStV)
- Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung von Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs und zum Verfahren zur Prüfung von Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis (AVV Lebensmittelhygiene – AVV LmH)
- Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Erfassung, Auswertung und Veröffentlichung von Daten über das Auftreten von Zoonosen und Zoonoseerregern entlang der Lebensmittelkette (AVV Zoonosen Lebensmittelkette)
Durch die Codex Alimentarius Kommission (CAC) werden internationale Richtlinien der Lebensmittelsicherheit festgelegt. Zwar bilden die Standards des Codex Alimentarius kein verbindliches Recht, allerdings dienen sie dennoch als Basis für den internationalen Handel mit Lebensmitteln.
Sieben Grundprinzipien für die Erzeugung und den Handel mit Lebensmitteln
Es gelten einheitliche Lebensmittelsicherheitsstandards in allen EU-Mitgliedstaaten. Der rechtliche Rahmen für die Erzeugung und den Handel mit Lebensmitteln basiert auf sieben Grundprinzipien (Verordnung (EG) Nr. 178/2002):
1. Unternehmerverantwortung
- Jeder, der mit Lebensmittel handelt oder diese herstellt, hat dafür zu sorgen, dass seine Produkte einwandfrei sind. Dies gilt für alle, die an der Erzeugungskette für Lebensmittel beteiligt sind.
- Sorgfaltspflicht
- Qualitätsmanagementsystem HACCP-Konzept
2. Rückverfolgbarkeit
- Lebensmittelunternehmer müssen nicht nur dokumentieren, wohin geliefert wird, sondern auch woher die Lebensmittel und deren Rohstoffe kommen
- Damit wird bezweckt, dass rasch die Ursachen gefunden und nötigenfalls Lebensmittel der gleichen Charge im Handel zurückgerufen werden können
- TRACES (Trade Control and Expert System): elektronisches System für Grenzkontrolle und Zertifizierung gehandelter Waren
- Losnummer (oder Datum)
- Lebensmittel tierischen Ursprungs zusätzlich ovale Identitätskennzeichen
3. Amtliche Lebensmittelüberwachung
- Lebensmittelüberwachungsbehörden der Bundesländer kontrollieren die Einhaltung der Anforderungen
- Kontrolle in Betrieben
- Kontrollen erfolgen ohne vorherige Ankündigung
- Kontrollen erfolgen in regelmässigen Abständen
- Kontrollieren insbesondere die betriebliche Eigenkontrolle
- Kontrollen erfolgen risikoorientiert, d.h. Betriebe mit einem höheren Risiko werden häufiger kontrolliert
- Bei Mängel sorgt die amtliche Lebensmittelüberwachung dafür, dass diese sofort behoben werden. Es können Massnahmen bis zur Betriebsschliessung angeordnet werden
4. Vorsorgeprinzip
- Ohne die genauen Risiken zu kennen, können und müssen Behörden vorsorglich Massnahmen ergreifen, um allfällige Auswirkungen so gering als möglich zu halten. Die Massnahmen müssen verhältnismässig sein
5. Unabhängige wissenschaftliche Risikobewertung
- Landesuntersuchungsämter oder das Bundesinstitut für Risikobewertung untersuchen und bewerten Risiken im Bereich Lebensmittel
- Europäische Zusammenarbeit mit der EFSA (European Food Safety Authority)
- Internationale Zusammenarbeit u.a. WHO, FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen)
6. Trennung von Risikobewertung und Risikomanagement
- Trennung zwischen Wissenschaft und Politik/Behörden
- Wissenschaft erarbeiten zuerst Stellungnahme, erst danach Risikomanager
- Risikomanagement: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
7. Transparente Risikokommunikation
- Öffentlichkeit wird informiert
- Durch Pressearbeit der zuständigen Behörden
- Durch Lebensmittelrückruf des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers
- Über www.lebensmittelwarnung.de
- Durch Stiftung Warentest
- Durch Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
- Durch aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e.V.
- Durch Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.
Amtliche Lebensmittelkontrollen und Definitionen
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ist die nationale Kontakt-stelle für das europäische Schnellwarnsystem für Lebens-und Futtermittel (Rapid Alert System for Food and Feed, RASFF).
Im Zuge des RASFF tauchen einige Definitionen auf, die wir an dieser Stelle genauer erklären, um die einzelnen Forderungen besser zu verstehen.
Lebensmittelsicherheit ist das Zusammenspiel von wissenschaftlicher Bewertung im Labor, behördlichem Risikomanagement (durch Gesetzgebung und Kontrolleure) sowie Lebensmittelherstellern. Kontrollen betreffen u.a.:
- Lebensmittel und Bedarfsgegenstände
- Allgemeine Betriebshygiene
- Mikrobiologische Verunreinigungen
- Verstösse wie unzulässige Bestrahlung oder Verstoss gegen Handelsklassen
- Mängel im Hygienemanagement
- Verunreinigungen wie Fremdkörper, Mykotoxine, Pflanzenschutzmittelrückstände, Acrylamid
- Kennzeichnung und Aufmachung der Lebensmittel
- Zusammensetzung der Lebensmittel
Unter Lebensmittelmonitoring versteht man ein vom Bund und den Ländern durchgeführtes Messprogramm. Die Ergebnisse werden u.a. verwendet, um Höchstgehalte für unerwünschte Stoffe in ihrer Höhe zu überprüfen. Jeder Lebensmittelhersteller muss umfangreiche Eigenkontrollen durchführen. Geltende EU-Standards müssen eingehalten werden, wenn jemand in die EU Lebensmittel einführen will.
Zusatzstoffe dürfen nur in objektiv nicht gesundheitsschädlichen Mengen eingesetzt werden. Aasserdem müssen Lebensmittelzusatzstoffe ein strenges Zulassungsverfahren durchlaufen, wobei ebenfalls eine umfassende gesundheitliche Bewertung erfolgt. Bei Vorliegen neuer Erkenntnisse werden die Bewertungen neu überprüft.
Kontaminanten bezeichnen Stoffe, die den Lebensmitteln nicht absichtlich hinzugefügt werden, sondern als Folge der Verarbeitung oder des Gewinnungsprozesses im Lebensmittel vorhanden sind. Es gibt Kontaminanten aus der Natur oder aus industriellen Prozessen. (VO EG Nr. 1881/2006).
Rückstandshöchstgehalt (VO EG Nr. 396/2005) bezeichnet die maximal zulässige Konzentration für die Rückstände eines Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffs. (ACHTUNG: ökologischer Landbau darf für Behandlung mit Pflanzenschutzmittel nur die in der Durchführungsvorschriften zur EU-Öko-Basisverordnung genannten Substanzen verwenden)
Ein wichtiger Punkt im RASFF ist dabei das HACCP-Konzept. Was das HACCP-Konzept genau ist und wie Sie es umsetzen können, habe wir in einem speziellen Blogpost bereits erläutert. Daher an dieser Stelle nur die wichtigsten Elemente des HACCP-Konzeptes:
- Gefahren analysieren
- Kritische Kontrollpunkte identifizieren
- Grenzwerte festlegen
- Überwachungssystem einführen
- Korrekturmassnahmen für Fall von Abweichungen umsetzen
- Evaluierungsmassnahmen durchführen
- Dokumentation erstellen
Folgen bei Verletzung der Lebensmittelsicherheit
Die Folge einer Verletzung der Lebensmittelsicherheit kann ernste Folgen haben: Die Lebensmittel müssen im schlimmsten Fall vom Markt genommen werden. Ausserdem kann sich der Lebensmittelunternehmer zivilrechtlichen Forderungen ausgesetzt sehen für entstandene Schäden aus mangelhaften Produkten (Haftung fehlerhafte Produkte 85/374/EWG). Zu den Folgen bei einer Verletzung der Lebensmittelsicherheit zählen auch:
- Öffentliche Warnmeldungen über betroffene Lebensmittel
- Grenzzurückweisungen (inkl. Meldungen)
- Schliessungen (dauerhaft oder temporär)
Eine gute Zusammenfassung über weitere nationale und internationale Rechtsvorschriften finden Sie ausserdem auf der Seite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.